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Martin Schäuble beschreibt eine Welt, in der eine fanatische Gesundheitsdiktatur herrscht. Die Menschen werden unter der Behauptung der Fürsorge permanent überwacht. Jeder noch so kleine Ausbruch wird drastisch bestraft. Dieses Thema ist nicht neu und steht nicht erst seit Corona zur Diskussion. Die Idee dauerhafter Körperüberwachung durch Schlaf-, Sport- und Ernährungsapps, ein Leben zwischen virtuellen Realitäten und Gesichtserkennung: Das alles wirkt nur wie die Vorläufer einer Überwachungskultur, der Schäuble die Schrauben eng gezogen hat. Die Pandemie ist, wenn überhaupt, nur ein Brandbeschleuniger. In Cleanland steht natürlich trotzdem das Wort „Corona“ mit riesigen unsichtbaren Buchstaben auf jeder Seite. Wer das Buch liest, überprüft sich permanent selbst: Hat sich das eigene Bewusstsein durch die Pandemie verändert? Wer war ich davor und wer bin ich heute? Welche Dinge würde ich heute niemals tun, die für mich früher selbstverständlich waren und umgekehrt? In was für einer Welt würden wir leben, wenn der Schutz vor Corona (oder einer anderen gefährlicheren Pandemie) sich wirklich zu einer Diktatur ausweiten würde und persönliche Freiheit nichts mehr zählte? Was würde das für unsere Freundschaften, Familien und unsere Liebesbeziehungen bedeuten? Was uns heute normal erscheint, würde uns in einer solchen Zukunft wahrscheinlich verrückt vorkommen. 

Martin Schäuble hat seinen Zukunftsalbtraum klug durchdacht und konsequent ausgeführt. Er beschreibt den inneren Wandel der gesetzestreuen Schilo zur Zweiflerin am System. Manche Passagen wirken allerdings, als wäre es Schäuble nicht so wichtig, warum Schilo ihre Entscheidungen trifft, sondern nur das sie es tut. Entwicklungen werden zusammengerafft, Emotionen eher behauptet als gefühlt. An anderen Stellen gelingt es Schäuble wieder gut, sich in seine 15-jährige Hauptfigur einzufühlen und Spannung aufzubauen. Die jugendliche Schilo ist – obwohl ihre Lebenswelt so anders ist als unsere – ein ganz normaler Teenager, mit allen Sorgen und Hoffnungen, die man von sich selber kennt: Die beste Freundin in Not, die nervige Mutter, die erste große Liebe und die großen Fragen nach Sinn und Unsinn des eigenen Lebens sind geschickt in die Handlung eingewoben. Das gibt der Geschichte große Glaubwürdigkeit und gerne will man wissen, was aus Schilo und ihrer Freundin Samira wird, wenn man „Cleanland“ schließlich zugeschlagen hat.

- Mia Grau