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Schlägt man „Der erste Schritt“ von Pija Lindenbaum auf, sind es die Farben, die einem sofort ins Auge springen. Wie schön dieses Buch doch ist! Die Kinder dieser Geschichte laufen über erbbeereisrosa Wiesen, sie baden in waldmeisterlimonadegrünen Seen und hüpfen zwischen blaubeerblauen Bäumen über maisgelbe Berghänge. Und so glückselig wie sie aussieht, fängt die Geschichte auch an. Die Kinder leben auf einer isolierten Bergkuppe in einer Art endlosem Ferienlager. Zu ihrem Schutz ist rundum eine Linie gezogen, hinter der die gefährliche Welt lauert und die sie niemals übertreten dürfen. Die vielen Kinder sind in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe, die Ringelblumen, spielt und bastelt den ganzen Tag und die Schäfin, ihre hundeähnliche Erzieherin, passt gut auf sie auf. Ein kleines Paradies. Doch rasch schleicht sich Unbehagen in die beschauliche Welt. Was ist mit den anderen Kindern, den Primeln? Warum haben sie so tiefe Augenringe? Warum sehen ihre Uniformen so traurig aus? Warum müssen sie die ganze Arbeit machen, während die Ringelblumen es gut haben und die Schäfin in der Hängematte döst? Die Welt ist ein Paradies für die einen und ein Arbeitslager für die anderen. 

Bald wird es auch den Ringelblumen ungemütlich. Immer nur Spaß haben, während die anderen schuften, das gefällt ihnen nicht. Sie tauschen heimlich. Die Schäfin merkt es nicht einmal. Bald wollen die Kinder noch mehr selbst bestimmen, zum Beispiel welchen Haarschnitt sie kriegen. Und schließlich stellen sie auch die eine unangefochtene Regel infrage: Sie treten über die Linie und machen sich auf in die große weite Welt. Die selbstgerechte Schäfin schläft derweil mal wieder in ihrer Hängematte. 

Fein beobachtet und raffiniert erzählt, berichtet „Der erste Schritt“ vom Wunsch nach Gerechtigkeit, Individualität und Selbstbestimmung. Ein großes Buch für kleine Leute.

- Mia Grau