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AGONY MONTASSER : Action-Lyrik

Von Christoph Kalbitzer

Agony Montasser wurde 2011 in Berlin geboren. Er mag Mythologien, liebt Rankings und Vegetarier*innen und bingt alles von der YouTuberin Coldmirror. Im ersten Corona-Lockdown begann er zu schreiben, im zweiten zu dichten. Mit seinen Gedichten gehörte er 2021 zu den Jahresgewinner*innen von Lyrix.

Zum Thema "Gespenster" reichte Agony seinen lyrischen Text "Terrassenmassakerkinder versus Zelebrators" beim THEO-Schreibwettbewerb für Junge Literatur ein. Am 23. April 2022 wurde er dafür in der Staatskanzlei Potsdam neben vierzehn weiteren Gewinner*innen mit dem THEO ausgezeichnet.

 

Terrassenmassakerkinder versus Zelebrators 
Agony Montasser

Am grellblaugelben Nachmittag. Es kommen 
die angriffslustigen Terrassenmassakerkinder: 

Bom, Tom, Gem, Louise, Jom, Zom, Chom und 
Istmiregalwasaberichkriegredbull. 

Der Garten. Die superglücklichen
Gurken. Die intelligenten Hühner! 

An der Hecke treffen sie auf die Zelebrators: 
1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 und 59. 

1 ist der Depressionsbringer. 
Er wird zerfleischt von Bom. 

2 ist der Drogenbringer. 
Er wird totgeschlagen von Tom. 

Tom aber wird zerstochen 
von 59, dem Daimon. 

3 ist die Schlechtenotenbringerin.
Sie wird geköpft von Gem. 

5 ist der Krankheitsbringer. 
Er wird von der kleinen Louise in Flammen gesetzt. 

8 ist der Ängstebringer. 
Er wird von Istmiregalwasaberichkriegredbull (w) 
zerweint. 

13 ist der Alkoholbringer. 
Er stolpert und bricht sich von selbst das Genick. 

21 ist der große Todbringer. 
Alt. Rot. Rückzahlhaftig. 

Die Terrassenmassakerkinder 
holen Nickbackbo, den Verscomedian. 

Der Verscomedian macht schlechte Witze. 
Der Todbringer lacht sich tot. 

59 ist der Daimon im unwörtlichen Sinne. 
Hinterlistig. Still. Voller Hass. 

Er verwandelt Bom und Gem in Asche. 
Asche erscheint – wieder auferstanden – 
hinter 59. 

»Jetzt habe ich mein gesamtes Geld 
für diesen Angriff verschwendet, 
aber es hat nichts gebracht,« 
klagt 59. Er besitzt kein Geld mehr. 

Die intelligenten Hühner 
und die glücklichen Gurken 
lachen und philosophieren wieder friedlich 
vor sich hin. 

Und der grellblaue Himmel entfaltet sich 
zu ganz normalem Wetter. 

 

DIE LAUDATIO
Temye Tesfu über Agony Montasser: Terrassenmassakerkinder versus Zelebrators

"Hier ist kein Wort zuviel. Aber es gibt viel zu sagen über dieses actiongeladene Stück Lyrik. Beginnen wir mit dem Offensichtlichsten: Nicht wenige Dichter*innen dürften sich wünschen in zehn Jahren so souverän schreiben zu können wie dieser Zehnjährige.
Agony Montasser stellt nicht nur einen außeror- dentlichen Sinn für Versbrechung unter Beweis, und damit seine Parkettsicherheit, was lyrisches Tempo betrifft. Er beeindruckt auch mit sprachschöpferischer Spielfreude, unaufdringlicher Klanglichkeit, mit dramaturgischem wie komödiantischem Timing. Mitreißend und ohne jedes Pathos schildert das Gedicht in nur wenigen Zeilen eine Schlacht, die ein Kinofilm nur mit Überlängenzuschlag erzählen könnte. Terrassenmassakerkinder versus Zelebrators ist ein Kampf gegen moderne apokalyptische Rei- ter und zeitgemäße Übel wie Drogen, Depressionen und (natürlich) schlechte Noten. Als das Gemetzel vorbei ist, bleibt das Ende der Welt allerdings. Und die superglücklichen Gurken und intelligenten Hühner? Die zeigen sich herrlich unbeeindruckt von den Mühen ihrer menschlichen Mitspezies, die sich selbst so wichtig nimmt.
Dieser Text ist seinserseits ein grellblaugelber Himmel mit viel Platz für Wolkendeutungen – und eine Mordsgaudi obendrein."

 

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