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MARKUS FÄRBER : Zwischen Welten
Vielleicht kennt ihr das auch? Ein Tag wie jeder andere, die Sonne geht auf – und doch ist alles anders. Die Ursachen dafür können mannigfaltig sein und reichen von schmucklosen Nichtigkeiten bis zu schwerwiegenden Ereignissen. Gleichberechtigte, relevante Auslöser sind sie dabei alle. Im Falle Markus Färbers war es der Tod des Vaters, der seine tägliche Routine zum Einsturz brachte. Um genauer zu sein, der Selbstmord des Vaters, der ihn und seine Schwester Christine unvorbereitet traf.
Ein Austausch begann so zwischen den beiden Geschwistern, Christine schickte ihrem Bruder kurze, skizzenhafte Texte und dieser kreierte dazu die passenden Bilder. Das Ergebnis ist „Fürchtetal“, Markus Färbers zweite Graphic Novel, die in diesem Frühjahr in der Rubrik „Neue Talente“ für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde – eine Art von kreativer Trauerarbeit, die versucht, das Unfassbare greifbar zu machen. „Fürchtetal“ macht es den Leser*innen dabei nicht einfach, es ist ein herausforderndes Buch geworden, das sich dem klassischen Comicformat und der damit einhergehenden linearen Narration verweigert. Es ist abstrakt, symbolträchtig, intim, entwirft zahlreiche (Be)Deutungsebenen, schafft es aber trotz allem dabei stets unmittelbar zu sein, da es allein über die Gefühlsebene funktioniert. Vieles wird nicht konkretisiert, man muss sich Zusammenhänge selbst erarbeiten – bis man schlussendlich feststellt, dass es in „Fürchtetal“ nicht primär um Suizid, sondern vielmehr darum geht, wie man damit umgeht, wenn jemand, dem man sehr nahe stand, plötzlich nicht mehr da ist. Es geht darum, wie man mit Entfremdung umgeht, völlig egal, ob sich diese nun aus einem Krankheitsbild heraus entwickelte oder komplett andere Gründe hat. Man könnte schlicht und einfach auch zusammenfassen, dass „Fürchtetal“ einzigartig und komplett großartig ist, ein monochromer Zufluchtsort für alle, deren Welt – wodurch auch immer – schon mal einschneidend ins Wanken geriet.
Zucker & Zitrone hatte die Möglichkeit, mit dem in Leipzig beheimateten Künstler, der seine Zeit bereits seit Jahren zwischen Illustrationen und Musik aufzuteilen weiß, über seine jüngste Veröffentlichung zu schnacken.
Hamburger Graphic Novel Tagen und hast dort, moderiert vom großartigen Andreas Platthaus, dein aktuelles Buch „Fürchtetal“ vorgestellt. Bist du eigentlich gerne auf der Bühne, um dein Werk zu erklären, oder findest du solche Veranstaltungen eher befremdlich?
Markus, du warst ja gerade bei denZunächst muss ich kurz loswerden, wie souverän Andreas Platthaus, der ja viel für die FAZ schreibt, das alles angeht. Andreas ist ja ein kompletter Comic- und Graphic Novel-Nerd, ein unfassbarer Wissensschatz. David B., der ja eigentlich mit mir auf der Bühne hätte sein sollen, ist leider durch eine Coronaerkrankung ausgefallen … und so hat Andreas eine Art Vortrag über ihn gehalten, der ganz ausgezeichnet war. Ich mag solche Veranstaltungen eigentlich sehr gerne, wobei es im Fall von „Fürchtetal“ allerdings mehr Spaß macht, zusammen mit meiner Schwester auf der Bühne zu sein, da sie ja für den Text zuständig war, das Ganze ja ein Gemeinschaftsprojekt ist und wir uns generell gut ergänzen. Es geht bei „Fürchtetal“ um den Selbstmord unseres Vaters und da ist es zudem recht hilfreich, wenn dieses Thema nicht allein auf einem lastet, da es logischerweise sehr emotional ist. So langsam fällt es einfacher, darüber zu reden … aber man musste erst einmal eine Art von Routine entwickeln, da sich jede Konfrontation mit dem Thema zunächst wieder neu anfühlt. Das Buch hat dabei geholfen, das Ganze besser vergegenständlichen zu können, der Bewältigungsprozess wirkt dadurch abgeschlossener. Es handelt sich dabei ja nach wie vor um eine Art Tabuthema … doch gerade der Austausch mit dem Publikum zeigt mir, dass es einen Bedarf gibt, eben genau darüber reden zu können. Die Betroffenheit über das eigentlich Unmögliche stellt sich aber auch nach all der Zeit immer wieder bei mir ein.
Würdest du sagen, dass solchen Veranstaltungen dann ein zusätzlicher therapeutischer Effekt für dich innewohnt?
Ja. Vielleicht. Das hängt aber auch damit zusammen, dass man mittlerweile erfahren hat, dass das Buch bewirkt, was man will – nämlich über dieses Thema zu reden. Im Zuge dessen lernt man, sich mit den Leuten darüber auszutauschen und lernt, die Rolle als Triggerpunkt anzunehmen. Die Betroffenen haben ganz eigene Erlebnisse - meine Schwester und ich spiegeln unsere in der Graphic Novel wieder. Es ist schön zu erfahren, dass man die Geschichte dann doch nicht allein für sich erzählt hat, dass es halt kein Egotrip ist, sondern viele Menschen anzusprechen scheint. “Fürchtetal“ ist also glücklicherweise kein zusammengefasster therapeutischer Prozess in Buchform. In den Gesprächen mit dem Publikum spiegelt sich dann auch viel Dankbarkeit wieder, die man so erst einmal nicht erwartet hatte.
„Mein Ansatz war eigentlich immer, Bilderbücher für ein erwachsenes Publikum machen zu wollen.“
Gab es denn zwischen deiner Schwester und dir viel Diskussionen darüber, warum man denkt, dieses Projekt machen zu wollen? Gab es Gespräche darüber festzulegen, wie viel Privates man von sich preisgeben möchte?
Rotopol – der Verlag, bei dem ich bereits meine erste Graphic Novel „Reprobus“ veröffentlichte – und ich über die Möglichkeit weiterer gemeinsamer Projekte ins Gespräch kamen. Für meine Schwester und mich ergab sich so eine Möglichkeit, zum ersten mal Feedback von außen zu bekommen – und da dieses sehr positiv war, kam es schlussendlich zum Buch. Ich glaube, die Entstehung hat „Fürchtetal“ in die Karten gespielt: Diese sehr direkte, dabei recht abstrakt gehaltene Geschichte wurde von uns geformt, ohne dass man zunächst an eine Veröffentlichung dachte. Und das ist auch der Grund, warum es in der Geschichte klar um unseren Vater geht, dieser dabei jedoch nicht zwingend als Person im Zentrum steht. Es ist halt keine Erinnerungsarbeit, wo er als Mensch mit halbwegs intakter Biografie beleuchtet wird, sondern im weitesten Sinne Trauerverarbeitung – die dementsprechend auch gar nicht konkret dargestellt werden kann. Da wäre es uns wichtiger gewesen, bestimmte Dinge im Nachwort zu konkretisieren … (lacht) aber das hat dann aus organisatorischen Gründen nicht ganz hingehauen und so steht die Geschichte nun für sich, was glücklicherweise sehr gut funktioniert. Kunstwerke sollten ja auch nicht zwingend durch Erklärungen ergänzt werden, das darf dann gerne jeder für sich selbst deuten.
Ich glaube, es hilft, wenn man darüber informiert ist, wie dieses Buch entstanden ist. Es fing als eher Dogma-inspirierter Dialog zwischen Geschwistern an, ohne dass es darum ging, das alles später auch in Buchform präsentieren zu können. Da ging es uns in erster Linie darum, zwischen uns einen Kommunikationsprozess ins Rollen zu bringen, da sich jeder von uns nach der Nachricht des Selbstmords in sein inneres Exil flüchtete. Christine fing an, mir einzelne Sätze zu schicken, die ich dann zeichnerisch umsetzte … das diente in erster Linie dazu, mit dem Geschehenen irgendwie besser umgehen zu können. Zu diesem Zeitpunkt war nicht daran zu denken, dass daraus dann später mal ein Buch wird. Dieser Prozess kam ins Rollen, daSolch eine Frage zu stellen, wenn man gerade erst dabei ist, sich kennenzulernen, ist eher unangenehm, aber da eure Mutter keinerlei Rolle in „Fürchtetal“ spielt, muss ich doch nachhaken, ob sie bereits vor eurem Vater gestorben ist?
Das ist gar keine blöde Frage. Unsere Mutter lebt glücklicherweise noch und erfreut sich bester Gesundheit. Wir haben uns tatsächlich auch irgendwann die Frage stellen müssen, warum wir unsere Mutter während des ganzen Prozesses nicht eingebunden haben. Die Antwort ist dann glücklicherweise eine ganz einfache: Das Buch, die Geschichte, wäre dann schlichtweg noch komplexer geworden, als sie es ohnehin bereits ist. Diese intime Kommunikation, auf der das Buch basiert, ist glaube ich, in der Art, auch nur zwischen Geschwistern möglich … das ist mit den Eltern eher schwierig, das fängt bereits bei der Altersbarriere an. Meine Schwester und ich arbeiten beide kreativ, damit gestalten sich bestimmte Prozesse organischer. Unsere Mutter auszublenden war also eine bewusste Entscheidung. Wir haben sie jedoch darüber informiert, dass wir an diesem Buch arbeiten und die Geschichte dementsprechend auch öffentlich behandelt werden wird. Und damit war sie glücklicherweise komplett einverstanden, da gab es ein großes Grundvertrauen. Bei all der Wut und dem Unverständnis unserem Vater gegenüber ist es ist ja trotzdem kein Buch geworden, dass allein die Psychose, den Menschen in der Krankheit darstellt … sondern in der Erinnerung den Menschen zeigen will, der er halt war. Diese respektvolle Art und Weise war uns sehr wichtig. Unsere Mutter hat das Ergebnis dann zum ersten Mal bei der Buch-Release-Party betrachten können – und da war sie verständlicherweise sehr aufgeregt. Es war aber auch wahnsinnig schön, sie zu sehen, sie zu beobachten, inmitten all der Leute, inmitten unserer Freunde. Der Austausch war wichtig für sie, man hat richtig gemerkt, wie schön sie es fand, über die Ereignisse mit anderen Menschen reden zu können.
„Es ist toll zu erfahren, Bilder und Wörter gefunden zu haben, die trotz des schwierigen Themas auch für eine jüngere Generation interessant sind.“
Warst du denn mit deiner Schwester bereits vorher sehr eng oder war das ein positiver Nebeneffekt der Nachwirkungen auf die Ereignisse?
Wir waren vorher bereits ziemlich eng. Sie ist drei Jahre zuvor Mutter geworden und war dementsprechend erst einmal ganz in dieser Funktion von ihrer eigenen Familie eingenommen. Vorher waren wir viel zusammen unterwegs, wir haben in derselben Stadt gewohnt. Durch die Geburt ihres Kindes und den Tod unseres Vaters ist man unweigerlich eher getrennte Wege gegangen, da man die Dinge zunächst für sich verarbeiten musste. Ohne die Basis, die wir früher hatten, hätte ein Projekt wie „Fürchtetal“ wohl auch nicht funktioniert.
Musik spannen: die Figur des Vaters, so wie diese prominent im Buch gezeichnet ist, dieser übergroße Kopf ohne Körper, der tauchte doch bereits auf einem Tourplakat auf, das du in der Vergangenheit gestaltet hattest, oder?
Ich möchte den Bogen kurz zurRichtig. Mein Vater war ja, vier Jahre bevor er sich das Leben genommen hatte, in der Psychiatrie. Ich hatte mich bereits lange vor dem Buch mit dieser Seite meines Vaters auseinandergesetzt, habe versucht mich unter anderem kreativ damit auseinanderzusetzen und habe dann diesen Kopf gemalt. Ich gestalte ja viel Konzertplakate für Shows in Leipzig – und auf einem fand sich dann besagter Kopf wieder. Das passierte unabhängig von der Band, da stand für mich im Vordergrund, dass es ein starkes Bild war. Lustigerweise kam genau dieses Plakat auch sehr gut an und hängt nun bei vielen Freunden und Bekannten in der Wohnung. Später hatte ich diese Figur auch noch mal auf einem Cassettencover für meine eigene Musik verwendet. Das war definitiv eine Vorarbeit zu der Gestalt, die dann prominent im Buch auftaucht.
Würdest du generell sagen, dass sich deine Liebe zur Musik und die Liebe zur Illustration, zur Kunst die Waage halten?
Das Musikalische ist bei mir stark stimmungsabhängig, das passiert eher in Phasen. Ich merke, dass sich da was angestaut hat, was dann raus muss … dass läuft beim Zeichnen eher kultivierter ab. Zeichnen ist für mich ein Beruf geworden – und damit auch ein wenig Routine. Ich weiß, dass ich mich jeden Tag auf die eine oder andere Art zeichnerisch beschäftigen werde. Bei der Musik brauche ich hingegen einen emotionalen Impuls. Bei meinen Zeichnungen gibt es eine öffentliche Resonanz und ich bekomme mit, dass sie oft gut ankommen … mein Selbstbewusstsein konnte sich dementsprechend bereits gut entwickeln. Musik ist für mich nicht ganz so einfach, da fühle ich mich angreifbarer, da bin ich kritikscheuer … vielleicht auch, weil Musik für mich viel persönlicher ist. Das hat man halt nicht gelernt, nicht studiert, da spielt der Kopf einem ganz andere Streiche als beim Zeichnen.
Ich finde es ja bereits interessant, dass du das Zeichnen klar als deinen Beruf beschreibst …
Ich bin da vielleicht ein wenig durch mein Elternhaus geprägt, mein Vater war ja Finanzbeamter … (lacht) einen konkreteren Beruf gibt es ja eigentlich nicht. Da war ich dann schon irgendwie stolz sagen zu können, dass ich damit Geld verdiene. Das bekam dann schnell für mich etwas Pragmatisches, mit dem ich aber sehr gut leben konnte. Ich habe ja auch nicht zwingend einen Stil, den man als Trademark bezeichnen könnte … ich habe da eine gewisse Flexibilität entwickelt, glaube ich. Es gibt da Unterschiede in den Stilistiken, je nachdem, an welchem Projekt ich gerade arbeite. Früher dachte ich, dass so etwas eher eine Schwäche wäre, nicht allein einen Stil oder eine bestimmte Technik zu haben. Heutzutage begreife ich das aber eher als Freiheit. Am Ende ist es allein wichtig, dass die künstlerische Handschrift durchscheint – egal ob ich nun mit Kohle zeichne oder mit Tusche, egal ob ich einen Risograph verwende oder komplett digital arbeite.
Du hattest vor einigen Jahren mit „Reprobus“ bereits eine Graphic Novel für Rotopol veröffentlicht. Sind solche Projekte eher eine enorme Kraftanstrengung für dich oder geht das ziemlich flüssig von der Hand? Worauf ich hinaus will: toll zeichnen zu können, ist eine Sache, interessante Charaktere zu entwickeln und eine Geschichte erzählen zu können eine ganz andere …
Mein Ansatz war eigentlich immer, Bilderbücher für ein erwachsenes Publikum machen zu wollen. Ich studierte in Kassel ja zunächst Kunstpädagogik und hatte bereits frei gearbeitet … wobei die meisten Arbeiten von mir eher eine sequenzielle Natur hatten, es waren eher Fragmente eines größeren Ganzen. Es hatte etwas Comic-Ähnliches, wobei ich mit diesem Medium eigentlich nie wirklich viel zu tun hatte. Meine theoretische Abschlussarbeit war über Bibelcomics – damit konnte ich auch ein wenig meinen eigenen Werdegang aufarbeiten, da ich in einem christlichen Elternhaus groß geworden bin. Populäre Comics wie beispielsweise Asterix hatte ich erst viel später auf den Schirm, zunächst gab es da nur amerikanisch geprägte Bibelcomics … und ich denke, dass ein Teil meiner Bildsprache und Themen darauf beruht. „Reprobus“ war für mich eine Positionierung, wobei viele Schlüsselelemente bereits vorher als eigenständige Zeichnungen existierten, ich diese also nur in den Kontext der Geschichte bringen musste. Für mich schien es wichtig, das alles aus dem System zu bekommen … so schnell werde ich auch garantiert keinen zweiten Comic komplett in Acryl malen. Aber versteh mich nicht falsch, meine Eltern waren glücklicherweise sehr liberal, das von ihnen vermittelte Weltbild ein offenes und keines, was durch irgendein christliches Dogma dominiert wurde. Ich bin ja in Oberfranken in der Nähe von Hof groß geworden … das ist ja eher evangelisch und damit vom CVJM geprägt und weniger katholisch. Als ich aufwuchs, empfand ich das als etwas sehr Positives, heutzutage blicke ich eher kritisch darauf, auch wenn ich nach wie vor mit diesen Themen verbunden bin – zumal ja alte Freunde, mit denen ich groß geworden bin, genauso sozialisiert worden sind wie ich. Für “Fürchtetal“ spielten diese Themen – Religion, Christentum – aber eine stark untergeordnete Rolle.
„Es handelt sich dabei ja nach wie vor um eine Art Tabuthema - doch gerade der Austausch mit dem Publikum zeigt mir, dass es einen Bedarf gibt.“
Wie fühlt es sich eigentlich für dich an, mit einer derart persönlichen Geschichte wie “Fürchtetal“ plötzlich für den Jugendliteraturpreis nominiert worden zu sein?
Max Baitinger ebenfalls in dieser Kategorie nominiert wurde, der ist ja gleichermaßen kein wirklicher Newcomer mehr. Andererseits freue ich mich natürlich über die Aufmerksamkeit, die unser Buch nun erhält, dass es als generationsübergreifende Geschichte verstanden wird. In Folge dessen wird das Buch viel herumgereicht, es gibt plötzlich Workshops an Schulen über den Titel und die verbundenen Themen. Das ist natürlich spannend, weil es ja impliziert, Bilder und Wörter gefunden zu haben, die auch für eine jüngere Generation interessant sind, mit einem Thema nach außen geht, dass man auch Jüngeren zumuten kann. Mir ist es ehrlich gesagt auch lieber, „Fürchtetal“ in der Jugendbuchecke eines Buchladens zu sehen, als in der Comicecke.
Einerseits fühlt es sich ehrlich gesagt ein wenig sonderbar an, da ich „Fürchtetal“ nicht als Jugendbuch begreife. Die Rubrik “Neue Talente“ empfinde ich ebenfalls als eher schwierig, da ich das alles ja schon seit einiger Zeit mache … (lacht) da war ich dann beruhigt, dassIst doch aber auch spannend, dass, anders als in der Musik, die man unweigerlich für ein bestimmtes Publikum macht, Literatur – und damit auch Graphic Novels – meist losgelöst von einer Zielgruppe produziert wird. Man liefert ab, aber schlussendlich entscheidet der Verlag oder der Buchladen darüber, für wen das Resultat vermeintlich bestimmt ist …
Da habe ich noch nie so wirklich drüber nachgedacht, aber eigentlich hast Du komplett recht. Wenn ich zum Beispiel meine Musik veröffentliche, passiert das ja über mein eigenes Label und das ist ja sowieso bereits in einer bestimmten Nische platziert. Die Erwartungshaltung, damit in anderen Bereichen aufzutauchen, gibt es da eigentlich nicht. Bei Büchern ist das tatsächlich anders, da kann einigermaßen problemlos eine bestimmte Blase überwunden werden. Die vorhandenen Strukturen sind in der Bücherwelt andere… (lacht) da fällt einem dann schnell auf, was ein Verlag eigentlich wert ist! Man ist so viel schneller abgekoppelt von eigenen Befindlichkeiten und vermeintlichen Gruppenzugehörigkeiten.
Die Tagline von Zucker & Zitrone lautet: Auf der Suche nach dem besten Buch der Welt. Da muss ich natürlich abschließend fragen, ob’s denn für dich eine Veröffentlichung gab, die dich schwer geprägt hat?
„Die heilige Krankheit“ von David B., weil diese Graphic Novel während des Studiums für mich eine Initialzündung darstellte, da mir vorher nicht klar war, dass man diese Art von Familiengeschichte auch in Comicform erzählen kann. Das war für mich schon ein Augenöffner, das hat mich on track gebracht, wie man so schön sagt. (lacht) Eigentlich würde ich aber lieber einen Romantitel nennen… aber da gibt’s ja so viel großartige Sachen, da müsste ich ehrlich länger drüber nachdenken. Ich bin jedenfalls glücklich darüber, in einer Zeit aufgewachsen zu sein, wo man sich einfacher auf ein Buch konzentrieren konnte … wo die Möglichkeiten für Zerstreuung noch nicht so omnipräsent waren, wie sie es heute sind. Wenn ich mal in der Situation bin, ein Buch an Kinder verschenken zu wollen, dann ist es meist „Krabat“ von Ottfried Preußler – weil es etwas Mystisches hat und einen tollen Spagat zwischen kindlicher Märchenwelt und der Erwachsenenwelt hinbekommt.
Wow, das ist sehr schwierig, spontan zu beantworten. Was einem da im Kopf herumschwirrt, sind dann ja meist Dinge, die mit den Themen zusammenhängen, mit denen man sich gerade auseinandersetzt. Jetzt gerade würde ich sagen: