Auf der Suche nach dem besten Buch der Welt.
Interview

KARIN KOCH : Überraschungen auf der Festplatte

Von Bilal, Mohammed und Willis

Karin Koch hat Humor. Und sie hat Freude daran, sich in junge Menschen hineinzuversetzen. Zwar will sie mit ihren Büchern den Leser*innen nichts pädagogisch Wertvolles beibringen, aber Mut machen will sie ihnen doch.

„Es wird immer Probleme geben“, sagt sie. „Aber es kommt darauf an, wie man mit diesen Problemen umgeht. Resigniert man oder nimmt man die Situation an und überlegt sich, wie man damit umgeht?“ Das ist genau die Lebenseinstellung, die man als junger Menschen braucht, um in der heutigen Zeit zwischen Rechtsruck und Klimakatastrophe einen kühlen Kopf zu bewahren. Bilal, Mohammad und Willis aus der Klasse 8a in Hamburg-Horn haben mit Karin Koch ein Gespräch über ihre Motivation und Arbeit als Autorin geführt. Und in Sachen Humor stehen sie ihr in nichts nach.

Q
Hallo! Wir sind Willis, Bilal und Mohammed.

A
Hallo ihr alle. Also schöner als ich seid ihr auf alle Fälle. (Alle lachen)

Q
Sie sind auch schön. (Wieder lachen alle) Ronaldo oder Messi?

A
Sie sind beide so geldgierig. Kann es auch Toni Kroos sein?

Q
Aber der hat seine Karriere beendet.

A
Na ja, er spielt doch noch einmal für die Nationalmannschaft.

Q
Thomas Müller oder Manuel Neuer?

A
Thomas Müller.

Q
Mario Götze oder Mats Hummels.

A
Das ist schwer. Ich finde beide gut. Ich sage mal Mats Hummels, weil der immer noch auf ziemlich hohen Niveau spielt, finde ich, obwohl er nicht für die Nationalmannschaft nominiert wurde.

Q
Ja stimmt. Schade. Gucken Sie die EM?

A
Ja, definitiv.

Q
So jetzt geht’s richtig los. Unsere erste Frage ist: Wie sind Sie auf die Idee für Ihr Buch „Linas Geheimnis“ gekommen ?

A
Es geht ja um Kinder, denen ganz seltsame Körperteile wachsen. Einige Zeit bevor ich das Buch schrieb, hatte ich eine Serie auf Netflix gesehen. „Sweet Thooth“ heißt die. Und da kamen auch Kinder vor, denen komische Körperteile wuchsen, Geweihe, Fellohren und so weiter. Aber ich hatte völlig verdrängt, dass ich diese Serie gesehen hatte. Oft ist es ja so, dass man irgendetwas sieht, das man unterbewusst auf der Festplatte im Gehirn abspeichert. Und auf einmal kommt diese Erinnerung als Idee zurück. So kam mir der Gedanke, wie das denn wäre, wenn in der wirklichen Welt plötzlich einem Kind etwas wachsen würde, was da überhaupt nicht hingehört. Kennt ihr die Serie?

Q
Nein, vielleicht gucke ich mir das heute an.

A
Mach das mal. Die ist ziemlich spannend.

Q
Frage Welche Art von Recherche haben Sie für Ihr Buch gemacht?

A
Für dieses Buch musste ich nicht viel Recherche machen. Da sind ja viele Fantasy-Elemente drin und nichts Geschichtliches, nichts Technisches. Wenn ich schreibe, brauche ich allerdings immer ganz bestimmte Orte, die ich mir vorstellen kann. Kurz bevor ich mit dem Schreiben anfing, war ich bei einer Lesung in einer Schule in der Nähe von Köln. In meiner Vorstellung spielt die Geschichte in diesem Gebäude. Und damit ich das richtig beschreibe, wollte ich meine Erinnerung auffrische und habe mir ein paar Bilder von der Schule angeguckt.

„An den Schwierigkeiten, die sich einem in den Weg stellen, kann man wachsen.“

Q
Gibt es bestimmte Botschaft Botschaften, die Sie mit Ihrem Buch vermitteln wollen?

A
Ich habe meistens keine konkrete Botschaft, keine Prämisse, mit der ich anfange, eine Geschichte zu schreiben. Ich will nicht, dass die Kinder oder Jugendlichen etwas ganz bestimmtes lernen, indem sie mein Buch lesen. Dieses Buch ist ja für Jugendliche in eurem Alter. Mit 13, 14 Jahren verändert sich der Körper. Man wächst, alles Mögliche ist plötzlich da, was vorher nicht da war. Ich weiß nicht ganz genau, wie es für Jungs ist, aber für Mädchen spielt es eine unglaublich große Rolle, wie sie nach außen dastehen, wie sie aussehen und ob sie dem Schönheitsideal entsprechen. Da wird dann plötzlich eine Nase, die vielleicht ein bisschen größer ist, als so riesig und unübersehbar empfunden, als würde ein glitzerndes Horn auf der Stirn wachsen. Ich wollte darstellen, wie hilflos die Kinder und die Jugendlichen dem oft ausgesetzt sind, weil Erwachsene das nicht wahrnehmen. Vielleicht ist das die Botschaft: Ihr kriegt es hin, ihr braucht nicht für alles eure Eltern, Ihr könnt viele Sachen untereinander klären und ihr könnt an den Schwierigkeiten wachsen, die sich euch in den Weg stellen! Es wird immer Probleme geben. Aber es kommt darauf an, wie man mit diesen Problemen umgeht. Resigniert man und sagt, das schaffe ich eh nicht, das Leben ist scheiße? Oder nimmt man die Situation an und überlegt sich, wie man damit umgeht? Manchmal hilft es ja schon eine Nacht drüber zu schlafen und sich mit anderen auszutauschen.

Q
Eine sehr kreative Botschaft. Haben Sie eine bestimmte Schreibroutine?

A
Was viele nicht wissen: Die wenigsten Autoren können vom Schreiben leben. Auch ich habe einen Hauptberuf und der ist Physiotherapeutin. Damit verdiene ich mein Geld. Das Schreiben mache ich nebenher. Damit verdiene ich zwar auch Geld, aber nicht genug um davon zu leben. Deswegen besteht meine Schreibroutine darin, dass ich mir ein bis zweimal im Jahr eine ganze Woche freinehme. Dann fahre ich an einen Ort, an dem ich ganz alleine bin. Zu Hause geht es nicht, weil ich zu viel abgelenkt werde. Da kommt dann die Katze und will was zu fressen, im Garten wächst das Unkraut, dann sehe ich, dass ein Spiegel nicht geputzt ist. Die Sachen sind auf einmal alle wichtiger als das Schreiben. Deshalb muss ich wegfahren. Und schon wenn ich dann im Zug sitze und das Laptop aufklappe, fange ich an zu schreiben. Das macht Klick in meinem Gehirn. Ich schreibe und schreibe. Viele machen sicher vorher einen Plan, wie genau sie jedes Kapitel schreiben. Das nennt man plotten. Das mache ich so gut wie gar nicht. Ich habe eine Hauptfigur, die ich mir vorstelle. Sie hat bestimmte Eigenschaften, sieht auf eine bestimmte Art und Weise aus. Außerdem habe ich einen Ort und einen Konflikt. Und diese drei Elemente benutze ich, um zu schreiben. Meine Figuren lerne ich oft erst während des Schreibens richtig kennen.

Q
Und schreiben Sie das ganze Buch dann in der einen Woche?

A
Nein. Ich brauche mindestens fünf, sechs Wochen. Manchmal ist dann so, wenn ich zurückkomme, dass ich dann noch so im Flow bin, dass ich mich dann abends nach der Arbeit hinsetze und noch weiterarbeite. Aber das hält vielleicht 4 bis 5 Wochen an, und dann bin ich wieder zu sehr im Arbeitsstress.

Q
Gab es Autoren oder Bücher, die Sie inspiriert haben?

A
Ja, die gibt es. Natürlich. Ich weiß nicht, ob die noch so gelesen wird, aber in meiner Kindheit war Astrid Lindgren eine wichtige Autorin für mich. Sagt die euch was? Pippi Langstrumpf?

Q
Jaaaa! Meine Schwester. Die sieht aus wie Pipi Langstrumpf.

A
Ach was! Cool. Findet sie es gut oder findet sie es nicht gut?

Q
Also ich finde das auf jeden Fall gut.

A
(Lacht) Ich freue mich, dass Astrid Lindgren noch gelesen wird. Die hat so einen schönen Humor. Der kommt nicht mit einem Holzhammer, sondern hintenrum. Und ein anderes Vorbild von mir ist Gunilla Bergström, sie hat Bücher für Erstleser gemacht. Die bekannteste Figur ist Willy Wiberg und da finde ich auch den Humor einfach großartig.

„Es macht Klick in meinem Gehirn und ich schreibe und schreibe.“

Q
Kennen Sie das Buch „Die wilden Hühner“?

A
Ich weiß, dass es das gibt. Aber ich habe es noch nicht gelesen. Das ist von Cornelia Funke, nicht wahr? Die ist ganz berühmt, die hat ja richtig tolle, viele Bücher verkauft und die kann garantiert vom Schreiben leben.

Q
Sind Sie berühmt? Wenn ich fragen darf?

A
Überhaupt nicht. Null Komma eins berühmt.

Q
Haben Sie schon Pläne für zukünftige Bücher oder Projekte?

A
Also, ich schreibe ja unter meinem richtigen Namen für einen Verlag. Und dann habe ich noch ein Pseudonym. Ich nenne mich Linda Beller. Und da veröffentliche ich als sogenannte Selfpublisherin eine Fantasy Reihe. Die heißt „Der Rand der Welt“. Ich bin gerade dabei, das dritte Buch zu überarbeiten. Ich habe schon die Idee für ein viertes Buch, aber das weiß ich noch nicht, ob ich das veröffentliche.

Q
Machen sie das. Bestimmt wird das auch so, wie Ihre anderen Bücher.

A
Okay, wenn du das sagst, habe ich keine andere Wahl.

Q
Das mit dem Pseudonym. Warum machen Sie das?

A
Weil es ja ein völlig anderes Genre ist, also eine völlig andere Richtung von Büchern, die ich da schreibe. Bisher habe ich Bücher geschrieben, die in der Realität spielen und Probleme von Kindern und Jugendlichen behandeln. Da geht es um Mobbing, um Rassismus und um Eltern, die sich scheiden lassen u.s.w. Das, was ich in meinen Fantasy-Romanen mache, das ist etwas ganz anderes. Mit dem Pseudonym wollte ich das eine vom anderen abgrenzen.

Eine bunte, spannende, witzige und tragische Geschichte über ein Mädchen, das als Zweitgeborene der Königin im glitzernden Luxus schwelgen könnte, stattdessen aber einen großen Mangel erlebt: Den Mangel an Wertschätzung und Liebe in ihrer kleinen Familie. Wie sie sich nicht nur aus ihrem trägen Dasein heraus, sondern in andere Welten hineinkämpft und sich dabei verändert, erzählt „Der Rand der Welt“.

 

Q
Was ist Ihre Lieblings-Netflix-Serie?

A
Oh, da gibt es zu viele. Ich liebe „Queer Eyes“. Das ist eine Reality-Serie über fünf Männer, die in Amerika durch das Land ziehen und Leuten dabei helfen, ihr Aussehen zu verändern und ihre Wohnung schön einzurichten, mehr Selbstbewusstsein zu haben und mehr Fröhlichkeit zu haben.

Q
Wer ist ihr Lieblingsartist?

A
Mein Lieblingskünstler ist ein Schriftsteller namens John Irving. Der schreibt ganz tolle, sehr witzige Bücher. Überhaupt liebe ich amerikanische Schriftsteller. Die können unterhaltsam und witzig schreiben und trotzdem ernste Themen behandeln.

Q
Wie wichtig ist das für eine Verbindung zu deinem Leser herzustellen?

A
Das ist mir sehr wichtig. Gerade als Sefpublisher (jemand, der seine Bücher ohne Verlag veröffentlicht und deswegen alleine für die Werbung verantwortlich ist, Anm. der Redaktion) muss ich viel auf Social Media aktiv sein. Auf Instagram habe ich eine Bloggerrunde, die meine Bücher vorstellt. Ich habe viel Kontakt zu Leuten, die viele Bücher lesen und sie auf Instagram und Facebook rezensieren. Diese Verbindung zu den Lesern und Leserinnen macht mir Spaß. Ich bekomme eine Rückmeldung und erfahre, ob das, was ich den Leuten erzählen wollte, auch wirklich angekommen ist. Es kommt natürlich auch immer mal wieder vor, dass mir sogenannte „Anschluss-Fehler“ passieren. In einer Szene habe ich zum Beispiel geschrieben, dass das Fenster zu war und in einer nächsten Szene steht es offen. Das darf natürlich eigentlich nicht passieren, kommt aber vor. So was entdecken die Leserinnen und sagen es mir. Das ist ja toll, dass sie das Buch so genau lesen, dass sie das entdecken! Es ist schön zu sehen, dass meine Geschichte den Leuten Freude macht, dass sie Spaß beim Lesen hatten, die Figuren ins Herz geschlossen haben und dass sie zum Nachdenken gekommen sind. Das ist wirklich toll.