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KATHRIN SCHROCKE : Privilegien und Zerbrechlichkeit
Kathrin Schrocke schreibt seit 20 Jahren Kinder- und Jugendbücher. Immer in der Absicht, Geschichten über Menschen zu erzählen, die jenseits des Rampenlichts stehen. In ihrem Buch „Weisse Tränen“ (Mixtvision Verlag) erzählt die preisgekrönte Autorin nun von Alltagsrassismus. Als weiße Person hat sie Rassismus nie selbst erlebt, weiß aber aus Erzählungen von Freunden und Familienmitgliedern, welch tiefen Spuren dieser hinterlässt. Die Perspektive der Opfer nimmt sie nicht ein. Umso provokanter ist ihr Buch für weiße Leser*innen!
Der Coming of Age-Roman erzählt von Jugendlichen und Lehrer*innen, deren blinde Flecken die titelgebenden weißen Tränen sind. Diese fließen nämlich in Strömen, wenn weißen Menschen vorgeworfen wird, rassistisch zu sein. Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Beleidigt lenken sie die Aufmerksamkeit auf ihre Verletztheit – und damit weg von denen, die permanent diskriminiert werden, und verharren in ihren privilegierten Befindlichkeiten.
Liana, Hevin, Varia und Nisa erleben Rassismus ständig. Er gehört zu ihrem Leben. Die drei Schüler*innen der Carl von Ossietzky Gemeinschaftsschule in Kreuzberg haben sich mit Kathrin Schrocke über ihren Roman unterhalten. Kathrin Schrocke berichtet offen von ihrer paradoxen Rolle als weiße Autorin über Rassismus zu schreiben. Mit ihrer Geschichte betritt sie eine Bühne, um aufzuzeigen, dass es wichtig ist, sich zurückzunehmen und Opfern zuzuhören. Gleichzeitig ist sie sich der privilegierten Situation bewusst, sich öffentlich zu einem Thema äußern zu dürfen, für das ganz andere Menschen eigentlich von Geburt an die größeren Expert*innen sind.
Mit ihrem Buch „Weisse Tränen“ hat Kathrin Schrocke schon viele Leser*innen berührt, unterhalten und aufgerüttelt. Liana, Varia, Hevin und Nisa sind froh, dass Kathrin Schrocke über das Thema geschrieben hat und hoffen, dass noch viele (weiße) Menschen das Buch lesen werden. Wir hoffen, es ermutigt sie, ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Wir möchten Ihnen heute gerne ein paar Fragen stellen zu Ihrem Buch „Weiße Tränen“. Aber zuerst einmal, wie geht es Ihnen denn überhaupt?
Ich bin tatsächlich ein bisschen überrascht über den großen Erfolg des Buches oder zumindest die Wellen, die das schlägt. Damit habe ich ehrlich gesagt gar nicht gerechnet. Ich habe jetzt extrem viele Einladungen zu Lesungen an Schulen, diskutiere mit Jugendlichen über das Buch und das freut mich natürlich. In dem Buch steckt ganz viel Arbeit und eine jahrelange Recherche. Für uns Autoren und Autorinnen ist das natürlich klasse, wenn ein Buch dann auch entsprechend wahrgenommen wird und man damit Gespräche anstoßen kann. Und das war ja eines meiner Anliegen.
In Ihrem Buch geht es um das Thema Rassismus. Wie beschreiben Sie Ihre Meinung zu dem Thema?
Es gibt sowohl in meinem familiären Umfeld als auch in meinem Freundeskreis viele Menschen, die von Rassismus und Alltagsrassismus betroffen sind. Ich hatte das große Glück, dass diese Menschen sich mir mitgeteilt haben. Das ist nicht selbstverständlich. Es ist belastend und beschämend, wenn man solche Erlebnisse hat. Oft wird Menschen, die Alltagsrassismus erleben, von ihrem Umfeld nicht geglaubt. Und deswegen war es wirklich toll, dass mein Umfeld sich mir mitgeteilt hat. Vor allem auch deshalb, weil ich selber als weiße Person niemals Rassismus erlebt habe und auch niemals erleben werde. Die Entscheidung, das Buch zu schreiben, hing ganz stark damit zusammen, dass mir bewusst wurde, dass es da einen blinden Fleck für mich gibt. Wenn man selber nicht betroffen ist, dann bekommt man unter Umständen ja auch gar nicht mit, was Rassismus wirklich bedeutet. Und der zweite Punkt ist mir vielleicht noch wichtiger: Obwohl ich natürlich behaupten würde, ich bin null rassistisch, trage ich eine Mitverantwortung. Es gibt bestimmte gesellschaftliche Vorteile, die ich genieße, einfach nur, weil ich so aussehe, wie ich aussehe. Und über diese Verantwortung und diese Rolle von Menschen ohne Rassismuserfahrung in einem rassistischen System, darüber wollte ich schreiben. Es ging mir gerade nicht um klar rechte Positionen, um Neonazis oder rechte Jugendliche. Sondern es ging mir um ganz normale weiße Jugendliche, die nie selber Rassismus erleben, aber ob sie das wollen oder nicht, einen Anteil am Aufrechterhalten dieses Systems haben.
„Oft wird Menschen, die Alltagsrassismus erleben, von ihrem Umfeld nicht geglaubt.“
Haben Sie selber schon mal Rassismus erlebt?
Man kann als weiße Person keinen Rassismus erleben. Individuell als Person kann man Momente der Ausgrenzung oder Mobbing erleben. Ich habe eine Zeit lang in Mexiko gelebt und das ist es mir passiert, dass ich von Mexikanern mit Bierflaschen beworfen wurde. Aber das war kein genereller Rassismus gegenüber weißen Personen. Das gibt es auf der ganzen Welt nicht. Wohingegen es eine lange, schreckliche Geschichte des Rassismus gegenüber der Gesamtheit von Schwarzen Menschen gibt. Ich selber habe das also nie erlebt, aber ich habe Rassismus immer wieder beobachtet. Seit ich mich intensiv mit diesem Thema befasse, laufe ich mit offenen Augen durch die Welt und erlebe immer wieder Situationen, in denen Alltagsrassismus passiert. Und das sind eben nicht Momente, in denen irgendwelche Demonstranten mit Hakenkreuzfahnen durch die Straßen ziehen, Brandanschläge verüben oder Ähnliches. Was ich beschreibe, sind sogenannte Mikro-Aggressionen, ganz kleine Momente, in denen Menschen eine Ausgrenzung erfahren. Oft übersieht man das, wenn man nicht selber betroffen ist. Ich nenne mal ein Beispiel, das vor wenigen Tagen passiert ist. Ich stand an einer Supermarktkasse an und vor mir war eine Frau mit Kopftuch, die vom Kassierer geduzt wurde. Es war vollkommen klar, dass die beiden sich nicht kennen. Die Frau reagierte irritiert. Als ich dran kam, hat mich der Kassierer ganz höflich gesiezt. Es war klar, dass sein Verhalten mit ihrem Kopftuch zusammenhing.
Ja, das passiert ja leider öfter und ich habe so etwas auch mitbekommen. Seit wann beschäftigen Sie sich denn mit dem Thema?
Ich bin ganz lange gar nicht dahinter gekommen, dass Rassismus etwas ist, das mich auch betrifft. In meiner Kindheit wurde mir zum Beispiel vermittelt, dass wir als weiße Menschen dafür verantwortlich sind, afrikanische Kinder zu retten. Ich kann mich erinnern, dass immer wieder aufgefordert wurde, Geld zu sammeln für die armen, hungernden Kinder in Afrika. Das war sicherlich gut gemeint. Aber was sich bei mir und natürlich bei allen anderen auch eingeprägt hat, war die Überzeugung, dass die armen Menschen in Afrika es ohne uns Weiße nicht schaffen werden. Und dass die Menschen dort so bettelarm sind, dass sie unbedingt unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Natürlich wurde nicht erklärt, dass die westliche weiße Welt sehr starken Anteil daran hat, dass die Situation in vielen afrikanischen Ländern heute so ist, wie sie ist. Es wurde pauschalisiert, als ob alle Schwarzen Menschen vom Wohlwollen und der Gunst von Weißen abhängig sind. Das ist ein hierarchisches Denken, das man schon in der Kindheit eingepflanzt bekommen hat und das natürlich auch bei mir bis heute präsent ist. Das sind bestimmte rassistische Denkmuster, die einfach nicht aus dem Kopf zu bekommen sind. Und damit muss man sich irgendwann mal auseinandersetzen, einfach um auch auf Augenhöhe über dieses Thema diskutieren zu können. Das ist bei mir ganz spät erst passiert, erst in den letzten Jahren, insbesondere nach Hanau, als dieser rassistisch motivierte Massenmord an neun jungen Menschen passierte. In der Gesellschaft wurde gar nicht groß drüber diskutiert. Es wurde nicht besprochen, was da genau passiert ist und warum uns das alle angeht. Das war ein Vorfall, der vor allem migrantische Menschen in Deutschland sehr betroffen gemacht hat. Aber Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, die hat es zwar nicht kalt gelassen, aber sie haben es nicht als gesellschaftliches Problem wahrgenommen. Sie sind nicht auf die Straße gegangen, was man hätte erwarten dürfen. Und insbesondere danach habe ich angefangen, mich damit auseinanderzusetzen, was meine Rolle ist in diesem ganzen System. Wie oft in meinem Leben sind mir Türen geöffnet geworden, weil ich eben keinen fremdklingenden Namen habe und aussehe, wie ich aussehe? Das alles habe ich nicht selbst erreicht, sondern es ist einfach Glück, dass ich in diesem System sehr viele Vorteile genieße. Und da kommt dann eben auch eine Verantwortung mit einher.
„Eigentlich sollten Menschen auf der Bühne stehen, die aus ihrem Alltag berichten können. Im Grunde nehme ich ein bisschen den Platz weg und bin wiederum Teil dieses Systems.“
Es ist ja auch so, dass oft Menschen mit Migrationshintergrund, die nach Deutschland kommen, nicht so reich sind wie Menschen, die hier geboren sind. Was sagen Sie denn dazu?
Genau! Das ist auch ein Thema, das ich im Buch aufgreife und das mir total wichtig ist, weil es sehr häufig Hand in Hand geht. In „Weiße Tränen“ gibt es Lenni, den Ich-Erzähler, der in seiner heilen weißen Welt lebt. Und dann gibt es Serkan, er ist der Enkelsohn von türkischen Gastarbeitern, die vor vielen Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind. Ich stelle Serkan und Lenni nebeneinander, um aufzuzeigen, was diese Familienbiografien für Folgen haben können. Serkans Eltern konnten nicht studieren, sondern mussten sehr früh zu arbeiten anfangen. Sie haben kein Haus, das sie geerbt haben. Serkan macht nach der Schule einen Nebenjob, um sich ein bisschen Geld dazuzuverdienen. All das kommt in Lennies Welt nicht vor. Lennie ist absolut abgesichert. Er weiß jetzt schon, dass er das Familienunternehmen irgendwann mal übernehmen kann und irgendwann mal ein Haus erben wird. Er muss nicht nach der Schule noch einen Nebenjob machen. Das ist auch eine Erinnerung an meine eigene Schulzeit: Für eine enge Freundin mit Migrationshintergrund war es selbstverständlich, dass sie nach der Schule noch jobben gegangen ist, während ich nach Hause gefahren bin und meine Hausaufgaben machen konnte. Als ich Schülerin war, ist es mir nicht klar gewesen, dass das ein gesellschaftliches Problem darstellt. Ich fand es cool, dass sie nach der Schule noch arbeiten geht. Aber dass sie arbeiten musste, weil die Familie richtig wenig Geld hatte, das war ein riesen Fairness-Unterschied. Dass ich da richtig privilegiert war, ist mir erst Jahrzehnte später bewusst geworden.
Was war denn Ihr erstes Buch und wovon handelte es?
Da muss ich jetzt überlegen, weil ich schon so viele Jahre schreibe. Mein allererstes Jugendbuch erschien vor fast 20 Jahren und behandelte ein sehr ungewöhnliches Thema für die Zeit. Das Buch heißt „Finding Alex“ und erzählt die Geschichte eines sogenannten Trans-Mädchens, also eines Jungen, der sich als Mädchen fühlt. Damals gab es diese ganzen Begriffe noch gar nicht, weder dieses Wort Trans-Mädchen noch das Wort LGBTQ. Aber es gab die Menschen natürlich schon. Das ist vielleicht der rote Faden in meiner schriftstellerischen Arbeit, dass ich immer über Figuren schreiben möchte, die normalerweise nicht so ins Rampenlicht gerückt werden, die eher ausgeblendet werden von der Gesellschaft Nachteile erfahren, mit vielen Vorurteilen konfrontiert werden. Heute ist das Thema von „Finding Alex“ in aller Munde. Aber damals war das ein kleiner Aufreger. Und genau das ist mit "Weiße Tränen“ ähnlich: Die Leute sind irritiert, dass ich nicht die Perspektive der „Opfer“ einnehme, sondern derjenigen, die verantwortlich dafür sind, dass Alltagsrassismus passiert.
Viele interessiert das Thema auch einfach nicht. Wenn es anderen passiert, ist es ihnen egal, weil sie glauben, dass es sie nichts angeht. Haben Sie denn schon mal Kritik zu ihrem Buch „Weiße Tränen“ bekommen? Zum Beispiel von Menschen, die Rassismus nicht so gut verstehen, die es noch nicht erlebt haben?
Klar. Wenn man über so ein Thema schreibt, erntet man auch Kritik. Zum Beispiel passiert mir das bei Lesungen an Schulen. Dort gibt es immer wieder Lehrkräfte, die abstreiten, dass so etwas passiert. Gerade wenn es um die Frage geht: „Wo kommst du her“? Da wird dann behauptet, das sei heute überhaupt kein Thema mehr, die Leute wären aufgeklärt und außerdem sei es doch eine nette Frage. Da kann man vor allem mit älteren Lehrkräften ganz lange darüber diskutieren. Der springende Punkt ist aber, dass ich mich mit Jugendlichen unterhalte, die Rassismus erfahren und die bestätigen, dass sie all das und viel, viel mehr in ihrem Alltag erleben. Ich hatte vor wenigen Tagen eine Veranstaltung an einer Schule, die von einer Schülerin moderiert wurde, die selber Schwarz war. Nach der Lesung habe ich mit ihr über meine Sorge gesprochen, dass Jugendliche, die Rassismus oder Alltagsrassismus erfahren, durch die Lesungen getriggert werden könnten und das zu belastend wäre. Da hat sie mich total entgeistert angeguckt und wirklich laut zu lachen angefangen. Sie meinte zu mir: „Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Das, was Sie in Ihrem Buch beschreiben, das erleben wir tagtäglich und viel, viel krassere Dinge.“ Es gibt also zwei Wahrnehmungen. Auf der einen Seite Menschen, die Rassismus erleben und die darunter leiden. Und auf der anderen leider nicht wenige Menschen, die abstreiten, dass Alltagsrassismus existiert und die das Thema dann auch entsprechend abwehren.
Ja, das habe ich auch leider schon öfter mitbekommen, dass es viele Menschen gibt, die so denken. Aber als Sie Ihr Buch geschrieben haben und es dann rausgekommen ist, waren Sie nervös wegen dem, was die Menschen denken werden?
Ja, ich war sehr nervös und bin es auch nach wie vor. Zum einen, weil ich richtig Angst habe, dass ich etwas so darstelle, dass Menschen sich verletzt fühlen. Ich schreibe ja über verletzende Dinge. Und mein Anspruch als Autorin ist das eben so zu beschreiben, dass die Leser und Leserinnen nicht verletzt werden. Und trotzdem ist mir klar, dass es natürlich an der einen oder anderen Stelle passieren kann. Es ist einfach kein leichter Stoff und ein sehr heikles Thema. Das ist das eine. Das andere ist eine Sache, die mich doch sehr beschäftigt. Ich werde jetzt sehr häufig mit diesem Buch eingeladen, um auf irgendwelchen Bühnen über Rassismus zu reden. Das ist ein bisschen absurd, weil ich als weiße Person ja gar keine Rassismuserfahrung habe. Eigentlich sollten Menschen auf der Bühne stehen, die aus ihrem Alltag berichten können. Im Grunde nehme ich ein bisschen den Platz weg und bin wiederum Teil dieses Systems. Ich bin wieder in der privilegierten Situation, dass ich über dieses Thema sprechen darf und dass mir Gehör geschenkt wird. Eigentlich sind aber ganz andere Menschen die Experten und Expertinnen für diesen Sachverhalt. Jetzt überlege ich die ganze Zeit, wie ich dieses Dilemma auflösen kann, wenn ich Lesungen an Schulen gebe. Dann sage ich am Ende immer, dass ich es gut fände, wenn die Schule einen Anti-Rassismus-Workshop anbieten würde, mit richtigen Experten und Expertinnen. Ich empfehle auch immer PoC-Autoren und Autorinnen, die man auch an die Schule einladen könnte. Allerdings muss man auch hier sagen, die komplette Kinder- und Jugendbuch-Szene in Deutschland ist extrem weiß. Es gibt ganz wenige Kollegen und Kolleginnen, die PoC sind.
„Das ist für mich ganz großartig, dass ich es offenbar schaffe, ein Umdenken anzustoßen. Da nehme ich auch gerne so ein paar Hass-Nachrichten in Kauf."
Ja, leider gibt es nicht so viele. Deshalb finde ich es sehr gut, dass Sie über solche Themen schreiben. Aber es gibt bestimmt Leute, denen das gar nicht gefällt. Wurden Sie vielleicht schon mal auf der Straße von jemanden angesprochen, der Sie erkannt hat und der sich über Ihre Arbeit ärgert?
Ab und an bekomme ich Hass-Nachrichten, aber das hält sich sehr in Grenzen. Überwiegend bekomme ich sehr nette Nachrichten von Lesern und Leserinnen. Auch viele von Erwachsenen. Das Buch ist ja eigentlich für Jugendliche geschrieben. Nun schreiben mir aber viele erwachsene weiße Leser und Leserinnen, dass sie das Buch gelesen haben und die mir sozusagen beichten, dass Sie sich total ertappt gefühlt haben während der Lektüre. Sie schreiben dann: "Oh nein, ich musste immer wieder aufhören zu lesen, weil ich wieder dachte, genau so verhalte ich mich auch im Alltag. Genau das ist mir auch schon passiert." Und das ist für mich ganz großartig, dass ich es offenbar schaffe, ein Umdenken anzustoßen. Da nehme ich auch gerne so ein paar Hass-Nachrichten in Kauf. Damit kann ich ganz gut umgehen.
Das ist schön, dass Ihr Buch so vielen Erwachsene die Augen öffnet und dass sie sich dann vielleicht auch anders benehmen. Können Sie mir sagen, wie Sie auf die Idee gekommen sind, Schriftstellerin zu werden oder was Sie dazu inspiriert hat?
Das wollte ich schon in eurem Alter. Das war ein Lebenstraum von mir. Einfach, weil ich wahnsinnig gerne gelesen habe und ins Kino gegangen bin. Ich habe einfach eine große Leidenschaft für Geschichten, aus denen man etwas mitnehmen kann, die einem für das eigene Leben eine Botschaft vermitteln und die einen auch verändern. In meiner Jugend waren Bücher ganz oft auch Rettungsanker für mich. Ich dachte mir immer, das muss ein wirklich großartiger Beruf sein, wenn man sein Geld damit verdient, sich Geschichten auszudenken. Mein erstes Buch habe ich relativ spät veröffentlicht, da war ich schon fast 30. Vorher habe ich eine Ausbildung gemacht und als Presse-Frau in einem Verlag gearbeitet. Ich kannte damals keine einzige Person, die Autor oder Autorin war. Es gab die Sozialen Medien auch noch nicht. Man konnte also auch nicht irgendjemandem folgen und gucken, wie der arbeitet und lebt. Für mich waren Schriftsteller und Schriftstellerinnen irgendwelche seltsamen, superbegabten Menschen, mit denen man gar keinen Kontakt haben kann. Dass es ein normaler Beruf ist, das musste ich dann erst im Lauf der Zeit lernen. Es ist ein ganz toller Beruf. Allerdings verdienen wir Schriftsteller und Schriftstellerinnen unser Geld hauptsächlich mit den Lesungen. Den Großteil des Jahres bin ich unterwegs, trete auf, lese vor und habe nur wenig Zeit für das Schreiben. Das ist ein bisschen schade.
Ganz am Anfang meinten Sie, dass Sie Freunde oder Verwandte haben, die Rassismus erleben. Möchten Sie dazu noch etwas sagen?
Ich habe Familienangehörige, die eine Art von Rassismus erlebt haben, den ich niemals in einem Buch beschreiben würde, weil er so krass und unterirdisch ist. Man glaubt es nicht, dass so was in diesem Land passiert. Es ist unfassbar. Ich vermute, dass die Gruppen in unserer Gesellschaft, die den krassesten Rassismus erleben, Frauen sind, die Kopftuch tragen, Schwarze Kinder und Schwarze Männer. Das ist nur meine Vermutung, nachdem was mir erzählt wurde, und vielleicht ist es auch blöd, eine Hierarchie der schlimmsten rassistischen Erfahrung aufzustellen. Auf jeden Fall kann ich bestätigen, dass weitaus krassere Dinge passieren als die, die ich im Buch beschreibe. Im Vergleich dazu ist mein Buch regelrecht harmlos.
Dankeschön für Ihre Zeit. Es war wirklich schön, mit Ihnen zu sprechen.
Vielen Dank, dass ihr mich interviewt habt.