Auf der Suche nach dem besten Buch der Welt.
Interview

SOMMER, WAS GEHT?! : „Arschbombe verboten" von Ulrich Hub

Von Christoph Kalbitzer

Freibäder sind ziemlich heiße Pflaster. Oberflächlich betrachtet ist der sommerliche Besuch eines solchen eine solide Freu- und Freizeitbeschäftigung mit Pommes und Softdrinks. Das mag oft und auf dem ersten Blick so sein. Aber machen wir uns nichts vor, da geht viel mehr! Und das zeigen uns die lahme Ente und das blinde Huhn in „Arschbombe verboten" von Ulrich Hub – fast wie im richtigen Leben, mit Leichtigkeit, Tiefe, ein paar Grausamkeiten, zum Lachen … allerdings kein bisschen langweilig.

Eigentlich sind lahme Ente und blindes Huhn allerbeste Freunde. Doch als die beiden in einem Freibad auf einen riesigen Haufen Enten stoßen, wird es verzwickt. Während die Ente vergeblich versucht, sich bei ihren Artgenossen beliebt zu machen, spielt sich das Huhn als Bademeister auf – und wird prompt bejubelt. Leider verliert es dabei sein geliebtes Entlein aus dem Blick. Ob eine gekonnte Arschbombe daran etwas ändert? – Eine Geschichte über Freundschaft, Verrat und die Kunst, sich selbst zu akzeptieren.

Ulrich Hub wurde in Tübingen geboren und absolvierte in Hamburg eine Schauspielausbildung. Er arbeitet als Regisseur an verschiedenen Theatern, schreibt Stücke und Drehbücher und zählt zu den wenigen Autoren, die sich sowohl im Erwachsenen- als auch im Kindertheater einen Namen gemacht haben. Der vielfach ausgezeichnete Autor lebt in Berlin.

Jörg Mühle, geboren 1973 in Frankfurt am Main, studierte Illustration in Offenbach und Paris. Heute arbeitet er als freier Illustrator in seiner Heimatstadt. Er zeichnet für Zeitungen, Zeitschriften und diverse Kinderbuchverlage.

Q
Die lahme Ente und das blinde Huhn gehen ganz schön ruppig miteinander um, in deiner Geschichte. Die Ente schämt sich für das Huhn und tut, als ob sie es nicht kennt. Und auch das Huhn ist ganz schön egoistisch und rachsüchtig. Warum sind die beiden trotzdem die besten Freunde? Und was macht für dich grundsätzlich eine gute Freundschaft aus?

A
Ehrlich gesagt frage ich mich das auch. Freundschaft bedeutet für mich ein gewisses: Trotzdem! Sich gegenseitig auszuhalten, auch wenn es gerade nicht so gut läuft. Freunde zu nehmen, wie sie sind - und nicht wie man wünscht, dass sie wären. Das gilt auch im Familienkreis. Lieber ehrlich miteinander umgehen und einen Streit riskieren, als Konflikten auszuweichen. Ich selbst erwarte, dass ich mich meinen Freunden auch mal zumuten und sogar richtig peinlich sein darf - solange man sich gegenseitig verzeihen kann. Das Huhn und die Ente kapieren das irgendwann auch, sie nehmen sich selbst nicht mehr so wahnsinnig wichtig und können am Ende sogar über sich selbst lachen.

Q
Was macht den Sommer in deinem Buch besonders?

A
Der Sommer ist für alle da – aber das Freibad offenbar nicht. Nicht jeder ist hier willkommen. Aber so leicht lässt sich das blinde Huhn nicht abwimmeln, es blickt als einziges hinter die schöne Fassade und erkennt, dass hier ein gnadenloser Konkurrenzkampf herrscht. Wer ist beliebt, wer bekommt die besten Plätze, und wer hat am meisten Freunde? Ausgrenzung ist hier an der Tagesordnung. Bei Lesungen erkennen die Kinder sofort, dass sich diese Verhältnisse auch auf den Schulhof übertragen lassen oder in anderer Bereiche unserer Gesellschaft – und zwar zu allen Jahreszeiten.

Q
Ist dein Buch mehr Zucker oder mehr Zitrone?

A
Man soll lachen dürfen, aber es gibt eben auch ernste Aspekte. Wie geht man mit seinen Schwächen oder Defiziten um? Das Huhn kann seine Blindheit gar nicht verleugnen, geht ehrlich und sogar offensiv damit um, und gewinnt damit Respekt und Anerkennung. Die lahme Ente will unbedingt dazugehören, versteckt ihren Krückstock und verleugnet sogar ihren besten Freund. Erstaunlicherweise haben Kinder und Erwachsene bei meinen Lesungen viel Verständnis für so ein Verhalten. So ein Verhalten kennt offenbar jeder. Ich natürlich auch, sonst hätte ich mir nicht so eine Geschichte ausgedacht. Am Ende fordert die lahme Ente von den anderen etwas, zu dem sie anfangs selbst nicht in der Lage war: Zivilcourage.

Q
Wie lautet deine Sommer-To-Do-List?

A
Ich habe nie irgendwelche To-do-listen, zu keiner Jahreszeit, das strengt mich viel zu sehr an. Jeder soll machen, wozu er am meisten Lust hat – aber bitte niemand anderem damit auf die Nerven gehen.

Q
Was ist dein ultimativer Sommertipp für gutes Wetter?

A
Da habe ich leider keine Tipps. Für mich bedeutet Sommer extreme Hitze, nervige Mückenschwärme und plötzlich losbrechende Gewitter, die nur kurz Erleichterung und Kühle bringen – so wie Vivaldi den Sommer komponiert hat. Ich persönlich mag nur die letzten Sommertage, wenn man abends noch ein bisschen draußen sitzen kann.

Q
Und für schlechtes Wetter?

A
Nach der vorherigen Antwort kann man sich ja denken, dass ich nichts gegen schlechtes Wetter habe. Man kann mit gutem Gewissen zuhause bleiben, ein Buch lesen oder ins dunkle Kino gehen.

Q
Was ist für dich das beste Sommerbuch der Welt?

A
Sommerbuch – das hört sich für mich ein bisschen an wie Reiselektüre, und hier ist die Meinung weit verbreitet, dass man sich ausgerechnet in der warmen Jahreszeit mit sogenannter »leichte Lektüre« beschäftigen sollte. Das habe ich nie richtig verstanden, ich lese nie, um nur die Zeit zu vertreiben. Zu allen Jahreszeiten greife ich immer wieder zu »Don Quijote« – ein Buch wie das richtige Leben: zum Lachen, zum Weinen und streckenweise langweilig.