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Das Schaf traut sich nicht mehr aus seiner gemütlichen Hütte im Wald. Draußen hatte es Wölfe entdeckt. Aber draußen gibt es auch Blaubeeren und das Schaf ist hungrig. In seiner Not schneidert es sich einen Wolfspelz und macht sich gut verkleidet auf Beerensuche. Wie kann es anders sein, schon bald trifft es im Dickicht auf grimmig lachende Wölfe, die das Schaf für einen der ihren halten und es nicht gehen lassen. Dem Schaf wird bang und es spürt, wie sich der erste Riss im genähten Pelz öffnet …



Bis hierhin konnte ich vorlesen, dann war die Spannung zu groß, ein Zuhörer sprang auf und hielt sich die Ohren zu. Denn ja, die Anspannung und Not des sanften Tiers ist förmlich spürbar, und die Wolfsfratzen sind nichts für ängstliche Kinder. Sid Sharps Bilder sind dunkel, malerisch und geheimnisvoll. Und es sind viele Bilder! “Wolfspelz” ist so umfangreich und künstlerisch anspruchsvoll wie eine Graphic Novel für Erwachsene. Trotzdem ist es auch ein Bilderbuch, das man unerschrockenen Kindern ab 5 bis mindestens 8 Jahren vorlesen kann. Die überraschende und kluge Wendung macht es schließlich zu einem Buch für alle.


„Ich weiß sowieso wie es ausgeht“, sagte mein Zuhörer und wollte wirklich nicht mehr weiterlesen. „Die Wölfe sehen, dass es ein Schaf ist, finden das aber ok und es darf bleiben.“  
„Nein, es ist viel besser“, sagte ich, „glaub mir!”


Geschickt dreht Sid Sharp eine alte Redewendung um und erzählt von den vielen Schichten, die wir im Alltag um uns legen. Wie leicht wir dabei vergessen, dass wir nicht die einzigen sind, die sich auf diese Weise schützen. Ganz gleich wie gekonnt und passend Sharps Illustrationen sind, allein dieser Geschichte wohnt so viel Kraft inne, dass sie immer und immer wieder erzählt werden könnte. Mit anderen Worten und Bildern, als Theaterstück und Puppenspiel - wie ein zeitloses Märchen.


- Anna Morlinghaus, Krumulus