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Die zwölf Jahre alte Ellie und ihr kleiner Stiefbruder Oleg kommen gut mal allein zurecht in ihrem neuen Zuhause auf dem brandenburgischen Land, sie freuen sich auf einen Tag ohne Eltern und nerviges Schwesterchen. Die sind nämlich nach Berlin gefahren. Aber als sie abends immer noch nicht zurück sind und...
Die zwölf Jahre alte Ellie und ihr kleiner Stiefbruder Oleg kommen gut mal allein zurecht in ihrem neuen Zuhause auf dem brandenburgischen Land, sie freuen sich auf einen Tag ohne Eltern und nerviges Schwesterchen. Die sind nämlich nach Berlin gefahren. Aber als sie abends immer noch nicht zurück sind und Ellie sie auch nicht anrufen kann, machen sich die beiden Kinder doch langsam Gedanken und verbringen eine unruhige Nacht.
Am nächsten Morgen ist immer noch alles still, und auch bei der Nachbarin wartet nur die hungrige Katze Sissi. Langsam wird es den Kindern unheimlich. Was ist hier los? Ja, es gibt eine Pandemie, aber hat die damit zu tun, dass alles plötzlich wie ausgestorben ist? Tagelang müssen die beiden Kinder ohne Erwachsene klarkommen. Sie kümmern sich umeinander, erkunden die Gegend, um herauszufinden, was passiert ist und ob es irgendwo noch etwas Essbares gibt. Wie sie fast verzweifeln und trotzdem den Mut und die Ideen nicht verlieren – das ist ein spannungsreicher, intensiver Abenteuerroman.
Ellies Mutter traut ihr nicht einmal zu, den Herd zu bedienen. Gut, sie hat Lilacs Gummiente abgefackelt und sich ordentlich die Finger verbrannt. Aber aus Fehlern lernt man. Oder nicht? Ob Ellies Mutter ihr zutrauen würde, zwei Wochen ganz und gar alleine auf ihren kleinen Stiefbruder Oleg aufzupassen? Sicher nicht....
Ellies Mutter traut ihr nicht einmal zu, den Herd zu bedienen. Gut, sie hat Lilacs Gummiente abgefackelt und sich ordentlich die Finger verbrannt. Aber aus Fehlern lernt man. Oder nicht? Ob Ellies Mutter ihr zutrauen würde, zwei Wochen ganz und gar alleine auf ihren kleinen Stiefbruder Oleg aufzupassen? Sicher nicht. Doch genau das muss Ellie tun. Und sie erledigt diese Aufgabe mit Bravour!
Ellies Mutter und Olegs Vater sind seit ungefähr drei Jahren ein Paar. Zeit genug, eine Prinzessin namens Lilac in die Welt zu setzten. Lilac nervt. Immerhin darauf können sich Ellie und Oleg einigen. Sonst haben sie sich eigentlich nicht viel zu sagen. Ellie ist schon 12, Oleg bloß 8 und außerdem eine Heulsuse und ein Angeber – findet Ellie. Ellie ist schwarz und Oleg weiß, und wenn er gemein ist, nennt er sie Schokokuss. Das kontert sie dann mit „Schweineohr.“ Und stellt insgeheim fest: „Schmeckt übrigens beides gut.“
Sie kommen irgendwie miteinander klar. Aber ausgesucht hätten sie einander nicht. Und schon gar nicht das, was nun auf zu zukommt: Plötzlich haben Ellie und Oleg nur noch einander – sonst niemanden. Vater und Mutter sind mit dem kleinen Schreihals zurück nach Berlin gefahren, um Olegs großen Bruder Mats und noch ein paar Sachen abzuholen. Ellie und Oleg sind lieber in dem neuen Haus geblieben, das ziemlich abgeschieden in der brandenburgischen Pampa steht. Dort soll das neue Leben der Patchworkfamilie beginnen. Mitten im Nirgendwo: Gleich hinterm Grundstück beginnt die Prärie und dahinter kommt nur noch die Oder. Es gibt nur zwei Nachbarn, eine nette Dame namens Trauti und den unzurechnungsfähigen Suffkopp. Das nächste Dorf ist weit.
Sie sind ja nur kurz alleine, dachten Ellie und Oleg. Aber aus kurz wurde lang und aus lang wurde noch länger und daraus wurde dann das unbegreifliche Mutterseelenallein, das die beiden fortan aneinander schmiedet.
Das Handy ist verschwunden. Die gute Trauti ebenso. Draußen ist es märzkalt. Die einzige Brücke zum Dorf ist verrammelt und verriegelt. „Achtung! Dies ist ein kommunaler Pandemie-Abschirmbereich!“ Die große Pandemie ist ausgebrochen. Und sie ist unerbittlich. Ihretwegen wird die ganze Welt lahmgelegt. Auf zwei verlassene Kinder nimmt da niemand Rücksicht. Corona wurde hier natürlich zum Motiv genommen und, um die Kinder erzählerisch in die Isolation zu treiben, mit noch drastischerem Lockdown und noch schärferen Regeln ausgestattet, als wir es in Europa erleben mussten. Ohne Handy und durch polizeilich erzwungenes Inseldasein finden sich Ellie und Oleg also in einer Situation wieder, die für sie absolut angsteinflößend ist, für die Autorin aber reichlich Futter bietet. Und das kostet sie aus!
So könnte das gewesen sein! Für vorlesende oder mitlesende Eltern ist es richtig unheimlich, wie realistisch Katja Ludwig mithilfe vieler Zufälle und toller Einfälle das schlichte und doch große Drama erzählt, das den Geschwistern widerfährt. Sie beschreibt toll recherchierte Alltagssituationen genauso wie unfassbare Ausnahmesituationen aus glaubhafter Kinderperspektive und mit Humor und Herz. Nicht Einmal verliert sie dabei Bodenhaftung oder rutscht ins Alberne oder Überzeichnete ab.
Mit kindlichem Pragmatismus machen sich Ellie und Oleg ans gemeinsame Überleben. Weil der Herd tabu ist, kochen sie Eier im Wasserkocher. Weil der Saft ausgeht, verdünnen sie Marmelade mit Leitungswasser. Weil sie bald nichts mehr zu essen haben, buddeln sie Kartoffeln in der Sandkiste ein. Vielleicht wächst ja was. Sie stellen fest, dass das Survival-Kit aus Plastik, das Oleg zu Weihnachten bekommen hat, nichts taugt und beschließen, selbst ein Buch zu schreiben, das richtige Ratschläge gibt, mit denen man auch was anfangen kann. (Dieses Buch schreibt Katja Ludwig hoffentlich noch! Die Welt kann es brauchen!)
Schließlich brechen Ellie und Oleg auf, um herauszufinden, ob nicht irgendwo doch ein Erwachsener zu finden ist, der ein Telefon hat. Sie verirren sich. Verbringen eine Nacht unter Schilfgras und freiem Himmel, eine zweite im Wrack eines Trabis. Sie begegnen dem schießwütigen Suffkopp, mit dem Oleg später einen regen Eier-gegen-Alkohol-Handel betreiben wird.
Die Kinder wachsen über sich hinaus und außerdem unaufhörlich zusammen. Mit teilweise rudimentärem Wissen wurschteln sie sich durch, treffen gemeinsam oder zur Überraschung des anderen kluge Entschlüsse. Sie halten sich aneinander oder an ihrem Kuscheltier fest.
Der große, gefährlich aussende Hund, der eines Tages vor ihrer Tür steht und nicht mehr weggeht, bis sie ihn schließlich in ihre kleine Gemeinschaft aufnehmen, verbildlicht wunderbar beiläufig den Kern der Geschichte: Die Kinder schließen Freundschaft mit der angsteinflößenden Situation, in der sie stecken und finden darin ungeahnte Stärke.
Die wahren Heldentaten, die sie vollbringen, werden von den Erwachsenen, die am Ende in Form von Feuerwehr und Rettungsdienst dann doch auftauchen, überhaupt nicht wahrgenommen. Nach den Abenteuern, die sie stolpernd und doch meisterhaft überwunden haben, hätten sie Respekt und Mitgefühl verdient. Doch sie werden wie unmündige Kinder behandelt, von oben herab, ohne hinzuhören und ohne jegliche Empathie.
Ellie und Oleg hatten Mühe, sich ihrem Abenteuer zu stellen. Und mit ihnen ist man glücklich, wenn am Ende alles gut wird und doch auch traurig, dass der wilder Ritt wirklich schon vorbei sein soll. Die Kinder können ziemlich gut auf sich selbst aufpassen, füreinander da sein und wichtige Entscheidungen treffen. Viel mehr, so lässt es uns die Autorin wissen, als die Erwachsenen glauben mögen.
- Mia Grau
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