Bibliothek

Törtel wuchs in einem Gartencenter am Rande der Großstadt auf und wird von einem nutzlosen Menschling aus einer Laune heraus gekauft, in die Badewanne verbannt und schließlich aus dem Autofenster geworfen. Er landet auf dem Rücken in Müggeldorf am Müggelsee und wird schließlich von einer streunenden Füchsin namens Wendy gerettet. Törtel ist von seinem neuen Leben in erschreckender Freiheit völlig überfordert. Im McGrün war sein Leben maximal langweilig, aber dank Glaswand, Kokosstreu und Wärmelampe auch absolut überlebenssicher. In der Gewalt des Menschen dämmerte Törtel in der weißen Wüste der Badewanne am Rande des Wahnsinns vor sich hin. Nun also: Asphalt und Gebüsch, dunkle Ecken, Mülltonnen und wilde Tiere.
Wendy schleppt ihn auch sogleich zur großen Wildtier-Versammlung an die Mole. Dort stellt sich die Frage, ob Törtel in die Gemeinschaft der Tiere aufgenommen werden kann oder nicht. Grrmpf, der mächtige Keiler und König des Müggelsees, ist skeptisch. Dieses komische Tier mit Panzer und ohne Zähne kann er nicht einordnen. Ist er, der behauptet aus dem McGrün zu stammen, etwa ein „Ausländer“? Kann man ihn zu den wilden Tieren zählen, oder ist doch eher ein Haustier? Brunhilde, Grrmpfs Frau übernimmt das Ruder und watscht ihren Ehemann vor versammelter Tierschaft ordentlich ab. Der Kleine wird in die wilde Truppe aufgenommen und plötzlich sind sich alle gar nicht mehr so sicher, ob sie selbst eigentlich heimisch sind oder ihre Wurzeln nicht doch irgendwo anders liegen. Die Waschbären, die Zugvögel, der Schwan: Wo kommen sie eigentlich her? Und wie wollen sie leben? Sind sie eigentlich wirklich noch wild? Oder sind sie durch die Nähe zu den Menschen in ihrem Tiersein schon völlig verkümmert?

In der folgenden Geschichte verbeißt sich Grrmpf ins Bein eines Menschen und in seinen Männchenstolz. Der dadurch entbrannte Machtkampf zwischen Spießbürger und Großkotzkeiler artetet dermaßen aus, dass die Wildtiere in Gefahr geraten. Törtel und seine neuen Freunde müssen einer Diebesband das Handwerk legen und Grrmpf wieder zu Räson bringen. Törtel, der langsame, ängstliche Held, wächst über sich hinaus und entwickelt sich dank seiner Klugheit und Besonnenheit zum viel geliebten Ratgeber der Tiere.

Wieland Freund erzählt bildgewaltig, wunderbar poetisch, lebensnah und sehr, sehr lustig. Er schenkt uns eine moderne Fabel mit tollen Figuren und klingenden Namen. Die Vermenschlichung der Tiere und die gleichzeitige Vertierung der Menschen findet im Setting aus Jägerzaun, Gartenmöbel und Ost-West-Zankereien statt, und ist auch für vorlesende Erwachsene ein absoluter Spaß ist. Doch weil Freund so ungeheuer toll schreibt, kommen vor allem die Kinder auf ihre Kosten. Seine Sprache ist klar und die Geschichte ist eingängig, dabei beschreibt er doch so genau die verschiedenen Gefühle der facettenreichen Charaktere.

- Mia Grau