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Nivin und Linus träumen beide vom großen Geld – allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen. Nivin lebt mit ihrer Familie in einer viel zu kleinen Wohnung und sie braucht das Geld für ein eigenes Zimmer. Der wohlhabende Linus hingegen möchte sich seinen Wunsch nach einem Pony erfüllen. Als die beiden Kinder...
Nivin und Linus träumen beide vom großen Geld – allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen. Nivin lebt mit ihrer Familie in einer viel zu kleinen Wohnung und sie braucht das Geld für ein eigenes Zimmer. Der wohlhabende Linus hingegen möchte sich seinen Wunsch nach einem Pony erfüllen. Als die beiden Kinder Suchplakate für ein entlaufenes Chamäleon mit einem hohen Finderlohn entdecken, ist ihnen klar: Sie müssen das Tier finden. Auch wenn sie erst Konkurrenten sind, Nivin und Linus merken schnell, dass sie kooperieren müssen, um das kleine Tier im Berliner Großstadtdschungel aufzuspüren. Die Suche entwickelt sich zu einem spannenden Sommer-Abenteuer, bei dem die zwei nicht nur spannende Orte entdecken und auf schräge Charaktere treffen, sondern bei dem sich – trotz unterschiedlicher sozialer Herkünfte – eine wahre Freundschaft entwickelt.
Mit einem derben Satz beginnt dieses Buch und geradezu versöhnlich hört es auf. Dazwischen? Chaos und Berliner Schnauze!
Nivin ist schlagfertig, angriffslustig, selbstständig, schlau und besonders gerne alleine. Darum geht es ihr natürlich gehörig auf den Senkel, dass sich ihre große Familie in eine winzige Wohnung quetschen muss. Sie sucht...
Mit einem derben Satz beginnt dieses Buch und geradezu versöhnlich hört es auf. Dazwischen? Chaos und Berliner Schnauze!
Nivin ist schlagfertig, angriffslustig, selbstständig, schlau und besonders gerne alleine. Darum geht es ihr natürlich gehörig auf den Senkel, dass sich ihre große Familie in eine winzige Wohnung quetschen muss. Sie sucht das Weite und landet durch Zufall in einer Kleingartenkolonie, die sie erkundet, wie eine Forscherin einen unbekannten Dschungel. Die Eingeborenen begegnen ihr mit Argwohn. Was will dieses fremde Mädchen hier? Man sieht doch sofort, dass die nicht hier hergehört! Nivin trifft Laubenpieperin Madame Mona. Auch sie ist hier eine auffällige Erscheinung. In wallende Tücher gewandet und von Räucherstäbchen umwölkt, nutzt sie zum Unmut des Kleingartenvereins ihre Laube als Wohnort. Wurde Ronaldo das Chamäleon etwa geklaut, um sie herauszuekeln? Das verschwundene Tier ist nämlich Madame Monas Existenzgrundlage: Mit seiner Hilfe kann sie die Zukunft lesen.
Nivin wittert eine Chance. Mit dem sagenhaften Kopfgeld, das Madame Mona auf Ronaldo ausgesetzt hat, kann sie ihrem Bruder und seiner Familie beim Auszug helfen. Dumm nur, dass sie nicht die Einzige ist, die sich auf die Suche machen will. Auch Linus aus Schöneberg braucht das Geld, um sich davon ein Pony zu kaufen. Linus ist das lebende Gegenteil von Nivin, nämlich uncool, selbstvergessen, hilfsbereit und irgendwie dödelig. Nur in einem Punkt gleicht er ihr. Er hat genauso einen Dickschädel.
Auf der Jagd nach Ronaldo müssen sich die Kontrahent*innen natürlich bald zusammentun. Gemeinsam legen sie sich mit Schnösel- und Ghettokids an und lüften das Geheimnis um Ronaldo. Linus lernt von Nivin Rückgrat, Nivin stellt fest, dass Linus auf seine Art auch cool ist. Nebenbei bröckelt ihr Panzer – merkt sie kaum.
Benjamin Tienti erzählt ganz aus Nivins Perspektive. Und das ist so lustig und echt, dass Nivin ganz wirklich zum Leben erwacht. Dieses Mädchen findet eigentlich alle blöd, aber sie selbst muss man lieben. Vielleicht findet man sie unmöglich, aber auch so witzig, direkt und entwaffnend, dass man ihr nicht böse sein kann.
Doch noch aus einem anderen Grund ist dieses Buch für alle, egal welcher Identität. Auf höchst verständnisvolle Art macht sich Tienti über alle lustig: die Kartoffeln und die Araber, die Vorstand-Muttis und die Möchtegern-Gangster, die Kleingartenspießer und sogar die Penner im Hauseingang. So ist Berlin. Ein wilder, chaotischer Haufen von Menschen, die einander argwöhnisch beäugen und dabei in Wirklichkeit doch alle ganz lieb sind. Manche mit Angst im Bauch, andere mit Wut, alle mit Bedürfnissen. Menschen eben.
Man könnte Benjamin Tientis Roman fast als utopisch bezeichnen. Denn er schreibt mit Leidenschaft für mehr Verständnis und Interesse für- und aneinander. Wenn die arabischen Kids mit den scharfen Zungen und die deutschen Schluffis mit den großen Füßen einander erkennen, stellen sie fest, dass zwischen ihnen hauptsächlich Vorurteile stehen. Tienti versucht dabei keineswegs, Unterschiede einfach aus der Welt zu schreiben. Er schafft Verständnis für soziale und finanzielle Unterschiede. Die Wohnungsnot in Berlin spielt dabei zum Beispiel eine ebenso große Rolle, wie Alltagsrassismus. Bei „Wer schnappt Ronaldo?“ sind es gerade die Unterschiede, die Nivins und Linus’ Welt am Ende bereichern. Dass Benjamin Tientis Utopie so lebensklug, unterhaltsam und lustig geworden ist, dass sogar Lesemuffel sie lieben werden, macht sie nur wahrscheinlicher.
- Mia Grau
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