Auf der Suche nach dem besten Buch der Welt.
Interview

SOMMER, WAS GEHT?! : „Wolf“ von Saša Stanišić

Von Christoph Kalbitzer

Sein erstes Kinderbuch „Hey Hey Hey Taxi“ war schon ein Renner und wurde wie auch viele seiner für Erwachsene geschriebenen Bücher üppig mit Preisen geehrt. Es begeisterte kleine und große Leser*innen. Zu Recht, denn Saša Stanišić ist ein grandioser Geschichtenerzähler. Nun ist bei Carlsen sein erster Kinderroman erschienen: „Wolf“, eine Geschichte vom Anderssein und was daraus alles entstehen kann. Der Ich-Erzähler Kemi berichtet von einer Woche in einem Ferienlager tief im Wald. Eigentlich hat er keine Lust darauf. Mit anderen Heranwachsenden, ein paar Tage aufeinander und auf die Natur losgelassen, lose von einigen mehr oder weniger motivierten Betreuern begleitet – das ist alles überhaupt nicht sein Ding – das ewige Wandern, das Braten von Folienkartoffeln, das Sirren von Mücken.

Kemi und Jörg, ein Klassenkamerad und ebenfalls Außenseiter, versuchen die unliebsamen Aktivitäten und Gruppenzwänge auszuhalten. Jörg, trifft es hart - er wird unter Druck gesetzt, erniedrigt, wird „andersiger“ gemacht. Kemi beobachtet die Übergriffe bloß, aus Angst, selbst Opfer zu werden. Als die Situation zu eskalieren droht, taucht auch noch der Wolf auf. Ein Alptraum bloß? Oder eine Aufforderung, sich dem Alptraum der Wirklichkeit zu stellen und mutig zu sein: für sich und andere?

Saša Stanišić wurde 1978 in Jugoslawien geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Seine Bücher wurden in über dreißig Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Jajaja, aber was heißt das schon? Preiselbeeren sind leckerer als Preise. Außerdem waren das Erwachsenenbücher. Was zählt, ist für Kinder.                  
Stanišić schläft und arbeitet in Hamburg. Er kann (schlecht) Gitarre spielen.

Regina Kehn wurde 1962 in Hamburg geboren und studierte an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg Illustration. Seit 1988 ist sie als freiberufliche Illustratorin für verschiedene Verlage und Zeitschriften tätig und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Q
Du versetzt die Protagonisten deiner Geschichte - den Ich-Erzähler Kemi und seinen Zimmernachbarn Jörg - in Situationen, die sie sich nicht aussuchen würden, hättest du ihnen die Wahl gelassen. Was hilft ihnen gegen das Mobbing und ihre Ängste? Und könnte ihr Umgang damit, ein Vorbild für andere Kinder sein, denen Ähnliches widerfährt?

A
Gegen Mobbing – die systematischen, andauernden Angriffe – hilft wenig, wenn man nur wenige Tagen an einem unbekannten Ort mit nicht eingeweihten Autoritätspersonen verbringt. Kemi und vor allem das Opfer, Jörg, müssen also diese Zeit in einem Feriencamp im Wald irgendwie mit kleinstmöglichem Schaden aushalten, ohne dass die Aggressionen nachhaltig aufhören. Das gelingt ihnen mit Abschottung und Ablenkung (Jörg), aber eben auch mit etwas Mut, Jörg beizustehen (Kemi). Ein Vorbild für andere Kinder kann Kemis Verhalten schon sein - also andere, schwächere schützen, indem man sich Verbündete sucht oder wie es ein Mädchen aus dem Camp tut – Erwachsene informiert, wenn Übergriffe beobachtet werden. Mobbing an sich zu beenden, braucht aber viel mehr Zeit und Einsatz von Lehrkräften und der ganzen Gruppe, in der es vorkommt.

Q
Was macht den Sommer in deinem Buch besonders?

A
Neben den Stechmücken? Erfahrungen, die wir machen müssen, bei denen wir etwas aushalten sollen, vor dem wir uns fürchten oder das wir schlicht nicht mögen, und dass wir das Gefühl haben, alleingelassen zu werden mit all der Last von Angst und Verantwortung, dann aber doch jemanden finden, mit dem alles etwas leichter wird, etwas angenehmen, sogar interessant: das ist der Sommer von „Wolf“.

Q
Ist dein Buch mehr Zucker oder mehr Zitrone?

A
Mein Buch ist ein Dickkopffalter. 

Q
Wie lautet deine Sommer-To-Do-List

A
Sich bewusst werden, privilegiert genug zu sein, sich Sommer-To-Do-Listen machen zu können. Sich informieren, was der Sommer ist für diejenigen, die sich keinen Urlaub leisten können und keine Sicherheiten und Vertrauen in das System haben – zusehen, wie man ihnen hilft und den Sommer für andere zu einem Sommer macht, der nicht nur eine weitere, viel zu heiße Jahreszeit ist, voll Ungewissheit und Unrecht.

Q
Was ist dein ultimativer Sommertipp für gutes Wetter?

A
Eincremen.

Q
Und für schlechtes Wetter?

A
Trotzdem machen.

Q
Was ist für dich das beste Sommerbuch der Welt?

A
Frida Nilsson / Anke Kuhl: Sommer mit Krähe