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Nora lebt sein 5 Jahren unter einer Scheinidentität in einer amerikanischen Kleinstadt. Sie hat Wes und Iris gefunden, mit denen sie viel verbindet: gemeinsame Erlebnisse, verwandtes Leid, tiefe Gefühle. Doch weil Nora ein echtes Problem damit hat, anderen zu vertrauen, ist sie Wes und Iris gegenüber nicht aufrichtig. Kein Wunder! Nora ist in der Gewalt ihrer kaltherzigen, verlogenen Mutter aufgewachsen, wurde zu Lug und Betrug erzogen und lebt nun versteckt vor dieser Frau und dem Stiefvater, die sie beide ins Gefängnis gebracht hat. 

Nora gibt sich Mühe, in ihr neues Leben zu passen. Doch so richtig abschütteln kann sie ihre Vergangenheit nicht. Als Nora, Wes und Iris zu Geiseln eines Banküberfalls werden, brechen alte Talente und dunkle Geheimnisse ans Tageslicht.

Wenn dieses Buch eines kann, dann Spannung erzeugen! Und zwar so, dass einem das Herz flattert. Überraschende Wendungen, geschickt eingewobene Erinnerungen, Action-Szenen und emotionale Offenbarungen machen „The Girls I've Been“ zu einem echten Pageturner.

Tess Sharpe (was für ein unglaublicher Name für eine Thriller-Autorin!) gelingt es außerdem mühelos, ihr Thema zu entfalten: die Folgen von emotionalem und körperlichem Missbrauch. Nicht gerade subtil, aber durchaus glaubwürdig beschreibt sie den inneren Kampf ihrer Heldin um Selbstliebe und Vertrauen. Es wirkt auch überhaupt nicht konstruiert, dass die ihr nahestehenden Figuren ebenfalls Missbrauchserfahrungen machen mussten. Ganz im Gegenteil: Nora kann ihnen überhaupt nur deswegen ansatzweise vertrauen, weil sie besser verstehen können, was sie peinigt.

Dass der Text ziemlich markig daherkommt, ist wohl Geschmacksache. Es könnte an der Übersetzung liegen, dass das permanente „Liebling“, mit dem die Figuren sich gegenseitig ansprechen, hölzern klingt. Oder dass man rätseln muss, über die Bedeutung von Sätzen wie: „Ich bin Iris Moulton nicht gleich mit dem großen Knall verfallen, als hätte mich die Liebe wie ein Haufen Steine erwischt.“ Vielleicht macht das im Amerikanischen alles Sinn. Im Deutschen wirkt es so, als hätte die Autorin versucht, so zu klingen, als wäre man mitten in einem Action-Film mit einem der muskelbepackten Herren Hollywoods – nur halt mit einem Power-Girl stattdessen voller Risiken und Nebenwirkungen. Manchmal hört man regelrecht die tiefergelegte Stimme, die mit vorgeschobener Unterlippe und kalt gewordenen Kippe im Mundwinkel, Noras Geschichte erzählt: Dädädä-Däää!

Spannend bleibt, ob dieser Tonfall sich auch in die Film-Adaption schleicht, die mit „Stranger Things“-Star Millie Bobby Brown in der Hauptrolle für Netflix gedreht wird. Der Film wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Hit. Die Vorlage hätte es jedenfalls verdient.

- Mia Grau